Ob Animationen aus Hefedrucken, hausgemachte DNA-Extraktion, Agar-Siedlungen für Bakterien oder cisgen- manipuliertes Gebäck im POP-UP Labor konnten die vielfältigen Möglichkeiten des DIY-BioHackings ausprobiert werden. BioHacker aus verschiedenen Teilen Europas kamen nach Dresden, um ihre künstlerischen und gesellschaftskritischen Projekte zu präsentieren und Workshops während des CYNETART-Festivals 2013 anzubieten.
DIY – BioHacking beim CYNETART-Festival 2013 from Katharina Groß on Vimeo.
Im Interview berichtet Marc Dusseiller, studierter Nanowissenschaftler und Mitbegründer des hackteria.org Netzwerkes, er habe das Gefühl, das sich in den letzten 10, 20 Jahren die Biologie, Biotechnologie immer mehr von der Gesellschaft distanziert hat. Doch es gibt eine Szene von kreative Leuten, von Makern, Hackern, Amateuren und Künstlern, die sich mit Themen der Biologie auseinandersetzen wollen. Das DIY-BioHacking ist in Deutschland nicht so verbreitet wie in anderen Ländern, weil die Gesetzeslage härter ist und auch die Terminologie des DIY-BioHacking ist unscharf, meint Urs Gaudenz, ein Bio-Ingenieur aus dem hackteria.org Netzwerk. „Der Ausdruck Hacker wie er heute in den Medien verwendet wird, ist eher negativ belegt und zumeist wird erst einmal mit Furcht reagiert. Was könnte ich herstellen, welche Art Bioterrorismus verfolge ich?“, erzählt Lucas Schirmer, Molekularbiologe aus Dresden. Im Grunde geht also darum, Bio-Technologien sicherer und gesellschaftsfähiger zu machen, indem möglichst viele Leute einen Zugang bekommen.
Die Vertreter des Schweizer Netzwerks Hackteria.org stellen spielerisch die DIY- Variante einer der grundlegenden Techniken jedes Gen- und Molekularbiologie-Labors vor: die Gelelektrophorese. Mit einfach zugänglichen Mitteln wie Plastik-Vorratsdosen, Heizplatten und Batterien kann man beispielsweise „zwei DNA – Samples vergleichen, ob die gleichen langen „Stücke“ drin sind. Das ist der DNA- Fingerprint“, erklärt Urs Gaudenz. DNA ist ein relativ einfaches Molekül aus Zucker, Phosphat und stickstoffhaltigen Basen. Dennoch ist sie in der Lage, den gesamten Bauplan eines Menschen zu speichern. Jede einzelne unserer Zellen enthält diese Informationen und bewahrt sie für kommende Generation. Um diese wunderbaren Informationsfäden sichtbar zu machen, wird nichts anderes verwendet als Haushaltsmittel und Alkohol, um DNA aus der Mundschleimhaut zu extrahieren wie Lucas Schirmer in seinem Workshop den Teilnehmern beibringt. Eine Billion – das ist die Anzahl der Bakterien, die auf unserer Haut leben. Obwohl sie viel zu klein sind, um sie mit dem bloßen Auge wahrzunehmen, beeinflussen sie unseren Alltag enorm. Vom Schutz vor krankheitserregenden Bakterien bis hin zur Produktion unseres Körpergeruchs, sind sie unsere allgegenwärtigen Begleiter. Durch einen Blutagar-Handabdruck werden Hautbakterien mit alltäglichen Haushaltsmitteln sichtbar gemacht.
Doch was ist Agar? Die Gelatine der Veganer ist auch das A und O im BioHacking. Agar ist eine geleeartige Masse, die Mikroorganismen wie Bakterien als Lebensplattform dient, was Wissenschaftlern erlaubt die Mikroben in einem kontrollierten Umfeld zu manipulieren. Agartectureist ein Workshop von Raphael Kim, dem Bio-Designer aus London. Dieser Workshop soll Interessenten beibringen, Agar in einem Design-Kontext zu benutzen, besonders in den Bereichen Modellierung, Produktdesign und Architektur. Die Teilnehmer werden zu “Agartekten”, die erleuchtende Lösungen zu düsteren Herausforderungen liefern. Es wurde ausschließlich Agar benutzt, um Strukturen, Objekte oder Produkte zu erschaffen. Die resultierenden Agar-Prototypen werden schließlich mithilfe von lebenden Bakterien getestet, die nach einer Inkubation über Nacht sichtbar werden. Raphael Kims Interesse gilt der Kommunikation unseres enormen Potenzials, uns selbst mit dieser mikrobischen Welt zu beschäftigen. Er hebt Möglichkeiten der Interaktion hervor und kreiert für das normalerweise Unsichtbare eine gewisse Fassbarkeit. Auf seiner Rotifer – Farm sollen mikroskopisch kleine (0,5 mm) Vielzeller, genannt Rädertierchen (Rotifer), unter unserer Kontrolle genutzt und gezüchtet werden können.
Ganz anders bietet der österreichische Pavillon 35 den Besuchern Hefe als neue Drucktechnik an. Zunächst wurden Hefedrucke erstellt und anschließend in der Vorführmaschine Anima 1.0.platziert, um sie in einen Trickfilm zu verwandeln. Niki Passath und Günther Seyfried haben 2012 den Biokunst-Club Pavillion 35 gegründet. Sie erzählen, dass sich diese Hefebilder ständig verändern, denn es ist lebendiges Material. Das heißt es wächst zu oder es wächst ein anderer Organismus drüber. Seit dem 19. Jhd. wird Kunst nach dem eigenen Willen geschaffen. Doch gerade bei der Biokunst funktioniert dies nicht, weil man da mit lebenden Organismen arbeitet. „Mit denen denen muss man quasi zusammenarbeiten, die muss man hegen und pflegen und die kann man nicht unbedingt immer seinem Willen unterwerfen.“
Im Rahmen des offenen Workshops von Rüdiger Trojok werden Gene aus einer Pflanze extrahiert, um anschließend neukombiniert wieder in diese bzw. einen kreuzbaren Vertreter eingeführt zu werden. Dem Organismus werden demnach keine artfremden Gene hinzugefügt. Der Prozess thematisiert die Grenzen der Deutschland als legal eingestuften gentechnologischen Experimenten, die außerhalb von zertifizierten Labors durchgeführt werden können. „Also gefährlich ist es vor allem, wenn man aus Versehen ein Gesetzt übertritt ohne es zu wissen und sich dann damit strafbar machen würde. Also es ist halt gefährlich für die Person. Es ist sogar die Auflage vom Gesundheitsamt, ich habe mit denen gesprochen und die haben gesagt, ich muss das Brot selbst essen. Aber für die Allgemeinheit ist da keine Bedrohung da.“, erzählt Rüdiger Trojok, dem ersten BioHacker Deutschlands.
Eins ist klar – die Biohacker sind durchweg Optimisten. Wie schafft man es den Gefahren der Molekularforschung entgegen zu treten? Die Bio-Hacker betonen, dass vor allem die Gefahr darin liegt, dass gewisse Technologien soweit kanalisiert sind, dass die breite Öffentlichkeit sie weder verstehen noch Entscheidungen treffen kann an was geforscht werden soll. Den BioHackern geht es im Grunde um mehr demokratischer Teilhabe von Wissen. Insofern fördern sie den Informationsaustausch untereinander, Marc Dusseiller hofft aber auch, dass über „die kreative Do-It-Youself-Bewegung neue Anwendungen für Entwicklungsländer erschaffen werden und nicht profitorientierte, sondern lebenssteigende oder -erfreuende Möglichkeiten sich eröffnen.“
Zuerst veröffentlicht bei ARTE.creativ