Volle Aufmerksamkeit voraus – Autoaggression
Beim Betreten des C.Rockefeller Center For Contemporary Art schlägt ein starker Geruch entgegen. Wie in einer Autowerkstatt stinkt es nach Benzin, Öl und Gummi. Es lärmt zudem. Eine kniehohe Maschine rattert im Takt, silbern glänzend pumpt und pulsiert deren Motor. Die Maschine, gebaut von dem Künstler Max Aschenbach, hat keinerlei Funktion außer Rohstoffe zu verbrauchen. Die Maschine würde ständig kaputt gehen und bedürfe regelmäßiger Reparatur, erzählt Frank Zitzmann.
Aschenbachs bisherige Arbeiten ähneln frühindustrielle Robotern und zerstörten sich oftmals selbst indem diese Objekte beispielsweise pausenlos gegen Wände fuhren. Dieses dynamische Objekt in der geraden Blickachse vom Eingang aus stehend und schniefend, erfasst zuerst die Aufmerksamkeit des/ der Ausstellungsbesucher_in. Würde dieses Mal ein Roboter durch den Raum fahren, ist es die rot-weiße Markierung, die ihn warnen könnte. In den Signalfarben leuchtend zieht sich die Wandmarkierung über drei Wände fast zwei Meter hoch. Sie erinnert an eine Sicherheitsmarkierung an der Straße und ist eine Arbeit von Frank Zitzmann. Zitzmann verdient seinen Unterhalt vornehmlich als Langstrecken-LKW-Fahrer und bezieht die Motive von seinen langen Autofahrten. Aus zehn ungefähr Dutzend Autoreifen baute er eine Wand in Formation ähnlich einem Parkettboden an die hintere Wand bis fast unter das Glasdach des Raumes reichend. Dies sei eine Antwort auf eine vorangegangene Arbeit im C.Rockefeller Center, bei der man den gesamten Fußboden mit Siebdruckgrafiken im Parkettbodenmotiv ausstattete, erklärt Zitzmann.
Weiter erzählt er, dass ein Besucher während der Vernissage auf die Autoreifenwand hochkletterte, die oberste Wandkante entlang balancierte und dabei seine schlammigen Fußabdrücke hinterließ. Eine Spur, die die drei ausstellenden Künstler Aschenbach, Zitzmann undGehrke nicht beseitigten. Dafür aber merzten die Künstler den Lackkratzer, der während der Aufbauten passierte, in einer zunächst unscheinbaren Arbeit von Alex Gehrke aus. Es handelt sich dabei um eine ungefähr 20x60cm weiß-lackierte Platte, welche die Markierungsstreifen durchbricht. Alexander Gehrke ist der Dritte im Bunde und seine Arbeiten wurden vom Ausstellungsorganisator Lars Frohberg erst später in die Ausstellungskonzeption mit aufgenommen, denn zunächst hatten sich Zitzmann und Aschenbach mit einem gemeinsamen Ausstellungskonzept beworben. Beide schlossen ihr Diplom 2012 an der Hochschule der Bildenden Künste Dresden ab. Alexander Gehrke studiert im 3. Jahr an der Hochschule und seine Arbeiten harmonieren und funktionieren perfekt im System der ausgestellten Arbeiten.
Das nicht alles so funktioniert wie zuvor gedacht, erzählt die Hintergrundgeschichte Gehrkes zweiten Arbeit im Raum. Eine circa drei Meter lange Kiste, die in drei Glieder zusammengesetzt ist und deren vier Seiten durch Spanngurte gehalten wird, steht im Goldenen Schnitt auf dem Boden der Raumfläche. In dem mittleren Glied befanden sich ungefähr 600 kg Ton als die drei Glieder im Ausstellungsraum auf Paletten angeliefert wurden. Die Paletten hätten als Sockel fungieren können, erklärt Zitzmann. Doch die 600 kg ließen sich keinen Meter bewegen. Durch einen Trick der alten Ägypter ließ sich die Kiste zumindest von der Palette ziehen. – mittels Wachs von Teelichtern. Doch was nun? Gehrke hatte sich schon einmal durch den Ton gegraben während einer Jahresausstellung an der Kunsthochschule. Diesmal tat er es wieder um die Tonmasse von der Mittleren in die zwei Anderen Glieder zu verteilen. Luftlöcher wurden in die oberste Seite gebohrt. Eine Stunde lang arbeitete und kämpfte Gehrke sich durch den kalten Ton. Faustabdrücke zeugen von dem Kraftakt und versinnbildlichen die Aggression gegen die Materie.
Insgesamt wirkt der Raum provokativ trotz oder wegen der strengen und monotonen Streifenführung nach rechts geneigt durch den Raum lenkend. Man könnte meinen, dass dieses Durchboxen durch den Ton und die damit einhergehende Unplanbarkeit der Formgebung der Schlüssel zur Lösung ist. Vielleicht ist es auch das zufällige Arrangement im Werkzeugkasten des Aschenbachs, welchen den Kampf gegen die Systematik und Automatisierung anzeigt. Dennoch scheint kein Ausbrechen möglich und der Kampf richtet sich schließlich immer wieder gegen einen selbst. In der Psychologie spricht man von Autoaggression bei selbstverletzendem Verhalten und Interpretationsmöglichkeiten bietet die Ausstellung mit dem Titel Autoaggression viele. Nicht zuletzt erinnert der Geruch mich an meine Schwalbe und deren ständige Reparaturen. Wie oft war ich allzu froh meine Ausflüge auf ihr zu machen um nach einigen Dutzend Kilometern gefrustet erneut stecken zu bleiben.